Das Messer von der Wersau. Gefunden im Sommer 2012 |
Hinter ihm lag die Burg, die sie gerade genommen hatten und schwarzer Rauch quoll aus den Gebäuden. Matthias schleppte gerade eine schwere Kiste heran. Sie war nicht besonders groß aber offenbar sehr schwer und konnte deshalb nur eine aus Eisen sein. Schwere Beschläge zeichneten sich ab und der Landsknecht hatte Mühe sie vor die Burg zu zerren.
"Wo hast Du die denn gefunden", fragte Martin den Kameraden.
" Im Zimmer vom Verwalter", sagte der und deutete unbestimmt in die Richtung, wo die anderen Spießgesellen sich versammelt hatten.
"Er hat's dann doch nit ausg'halten", sagt er während er die Kiste keuchend vor Martin abstellte, richtete sich wieder auf und endete, "die glühende Zang ham mer ihm blos zeig'n müss'n". Dabei grinste er.
"Und jetzt?", fragte Martin, dem nicht daran gelegen war mehr Details zu erfahren. Das war auch der Grund warum er alleine auf der anderen Seite der Burg hockte während die Soldaten die überlebende Besatzung "verhörten" und Informationen eintrieben.
Er tippte mit dem Messer auf die eisernen Beschläge.
"Was willst Du damit? Da brauchst Du einen Schmied."
"Jo, ebn.", antwortete Matthias und sah ihn erwartungsvoll an.
Martin brummte kurz, denn das erinnerte ihn wieder daran, was er einmal gewesen war - eben ein Schmied.
"Ein Schmied mit Werkzeug", sagte er, während er sich die Kiste näher anschaute und das eiserne Vorhängeschloss begutachtete. Dann steckte er das Messer, welches er immer noch in der Hand hatte in den Boden neben die Kiste und sprang auf. Sein Blick wanderte das Ufer entlang und hinauf zur Burgmauer. Aber nirgends fand er auf Anhieb das was er suchte. Also setzte er sich in Bewegung und begann die Mauer abzugehen.Als er sich dreißig Meter weiter umdrehte sah er wie Matthias mit seinem Messer im Schloss der Kiste stocherte. Das würde nichts werden.
Bald darauf fand er was er gesucht hatte. Einen schweren Stein, der gerade groß genug war und eine nahezu rechtwinklige Kante besaß. Erfreut hob er den auf und machte sich auf den Rückweg.
Inzwischen hatte er den Kameraden aus den Augen verloren, denn er war der Rundung der Burgmauer gefolgt. Als er ihn nun wieder zurück an den Ort kam, wo er Matthias sah, bemerkte er wie dieser inzwischen versuchte die Kiste zu öffnen. Er hatte das Messer irgendwie an der Kiste befestigt und drückte nun mit aller Kraft. Als dies nichts fruchtete begann er mit den Füßen darauf zu treten. Und zuletzt erkannte er wie der Landsknecht sich selbst an der Kiste festhielt und mit dem Fuß auf den Griff drückte. Jetzt war Martin auch nahe genug heran um zu sehen wie er das Messer an der Kiste hielt. Er hatte es in dem schweren Vorhängeschloss verkantet.
Und das war nicht gut. Denn Martin wusste, dass es für eine solche Belastung nicht gemacht war. Matthias würde sicher damit rechnen, dass sich das Messer verbiegen würde, sobald er zu viel Kraft verwendete aber...
In dem Moment passierte es auch schon. Mit einem kurzen, scharfen Knall zerbrach das Messer und gleichzeitig stieß Matthias sein Knie gegen die Kante der Truhe. Er schrie auf vor Schmerz.
"Dammischer Kasten!"
Martin, der genau in diesem Moment bei ihm ankam bückte sich nach den beiden Teilen des Messers und besah sich die Bruchkante des Metalls. Matthias rieb sich die schmerzende Stelle am Knie.
"Zu viel Eisen." murmelte er. Was er meinte war Roheisen, das durch schmieden zu Stahl wird indem es seinen Kohlenstoffgehalt verliert. Aber davon konnte Martin noch nichts wissen. Er wusste nur, dass aus dem spröden Eisen biegsamer Stahl wurde je länger man es heiß schmiedete. Das Messer war ein wertvoller Besitz, aber Martin zuckte nur mit den Schultern und warf es in den Burggraben. Dann nahm er den Stein und begann mit der Kante auf das Schloß einzuschlagen und zwar so, dass er den Riegel langsam aufdrückte. Nach wenigen Minuten gab der Riegel nach.
Jetzt wurde Matthias wieder aufmerksam. Er hatte befürchtet Martin werde ihn schelten und hatte deshalb versucht die Aufmerksamkeit mehr auf seine Schmerzen zu lenken. Aber Martin hatte den Verlust leicht hingenommen. Weil er gierig auf den Schatz in der kleinen Kiste war? Matthias wusste häufig nicht, was den ehemaligen Schmied eigentlich bewegte.
Der klappte gerade die Schatulle auf und lachte.
"I versteh net was da zum lachen gibt?", sagte Matthias als er ebenfalls einen Blick in die Kiste tat. Da lag ein einzelnes Stück Papier darin. Und sonst nichts. Keine Geld, kein Gold, keine Edelstein. Wütend griff der Landsknecht nach der Kiste und machte sich humpelnd auf den Weg auf die andere Seite der Burg. Martin drehte sich nochmal um und warf seinem alten Messer einen Blick hinterher. Schade. Es war ein gutes Messer gewesen und hatte ihm immer gute Dienste geleistet. Und seine Zerstörung hatte noch nicht einmal Beute machen geholfen.
Draufsich von oben |
All das würde Matthias verhindern müssen.
Und dann würden sie die Burg Wersau wieder verlassen. Es war ohnehin nicht mehr viel zu holen dort. Diese Mauern waren vor vielen hundert Jahren einmal stark gewesen. Heute waren sie baufällig und alt geworden. Vielleicht baute der Kurfürst das Gebäude ja wieder auf, wenn sie abgezogen waren und der Krieg vorrüber ging. Vielleicht auch nicht.
Er drehte sich um und ging die Mauer entlang in Richtung seiner Kameraden.
Rekonstruktion |
Das Messer wurde im Jahr 2012 bei Grabungen auf der Burg Wersau von einem Mitglied der Freunde Reilinger Geschichte gefunden. Dort wo man es fand war früher der Außenbereich der Vorburg und damit in etwa der Burggraben.